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Experten zeigen Gefahren für Lebensmittelsicherheit auf

Studie: Konsumenten und Journalisten schätzen Risiken nicht realistisch ein

Wien, 4. November 2019 (aiz.info). - "Antibiotika-Resistenzen, krank machende Keime sowie neue Tier- und Pflanzenkrankheiten" nannten heute Experten der europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA, des Sozialministeriums und der AGES bei einer gemeinsamen Pressekonferenz als die drei Top-Risiken für die Sicherheit von Lebensmitteln in Europa und weltweit. In Österreich stehen jedoch andere Themen - insbesondere Pflanzenschutzmittel-Rückstände in Lebensmitteln - seit Jahren an der Spitze der Besorgnisskala der Bevölkerung, aber auch bei Ärzten und Journalisten, wie aktuelle Umfragen der AGES zeigen. Das von Pflanzenschutzmitteln ausgehende Risiko werde von der Bevölkerung eindeutig überschätzt, erklärte AGES-Geschäftsführer Thomas Kickinger. Schließlich würden über 97% der diesbezüglich untersuchten Proben den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

"Die Risikowahrnehmung von Bevölkerung, Ärzten und Journalisten deckt sich nicht mit den Ergebnissen von Tausenden Untersuchungen, die wir als AGES durchgeführt haben", sagte Kickinger. Auf der anderen Seite schenken Österreicherinnen und Österreicher dem Risiko von Krankheitserregern in Lebensmitteln wenig Beachtung, obwohl es jedes Jahr Tausende Erkrankungen und auch Todesfälle gibt. "Die Beunruhigung der Menschen hat leider oft nichts mit einem tatsächlichem Risiko zu tun", so Kickinger. Die AGES habe daher heuer den Schwerpunkt "Sichere Lebensmittel" durchgeführt, um den Menschen ein realistisches Bild von diesen vermeintlichen Gefahren, aber auch von realen Risiken zu bieten.

Internet als erste Informationsquelle - Angst vor Unbekanntem

Im Rahmen dieses Schwerpunkts wurde auch die Informationskampagne "So bleibt dein Lebensmittel sicher" vor allem über Social Media und die AGES-Website durchgeführt, denn auch das hat die aktuelle Umfrage gezeigt: Erstmals steht das Internet an erster Stelle als Informationsquelle bei Risikothemen, gefolgt vom Fernsehen und von Zeitungen. Vor allem junge Frauen nutzen soziale Medien als Informationsquelle, ältere Menschen nutzen vermehrt Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften.

"Grundsätzlich haben die Österreicher Vertrauen in die Lebensmittelsicherheit. Auf bisher Unbekanntes, wie zum Beispiel Mikroplastik in Lebensmitteln oder neue Nahrungsmitteltechnologien, reagieren sie aber mit großer Beunruhigung, unabhängig davon, ob überhaupt ein Risiko besteht", betonte Kickinger. Immerhin fühlen sich zwei Drittel der Befragten nicht ausreichend zu Themen der Lebensmittelsicherheit informiert. "Das ist die große Herausforderung für Wissenschaft, Behörden und die AGES, verstärkt entsprechende und verständliche Informationen zur Verfügung zu stellen, dort, wo die Menschen sie suchen, also im Internet", so Kickinger.

Pflanzenschutzmittel-Rückstände und Antibiotika bereiten Sorgen

"Seit der letzten EU-weiten Umfrage zu diesem Thema sind fast zehn Jahre vergangen. Die Gesellschaft hat sich in dieser Zeit sehr verändert, und auch die Art und Weise, wie wir Lebensmittel herstellen und konsumieren, hat sich geändert", betonte Bernhard Url, Direktor der EFSA. In Bezug auf Lebensmittelsicherheit gebe es nicht "die eine Sorge", die in allen EU-Mitgliedstaaten überwiegt, erklärte Url.

Laut einer aktuellen Eurobarometer-Befragung werden drei Themen am häufigsten erwähnt: der Missbrauch von Antibiotika, Hormonen und Steroiden bei Nutztieren, Pflanzenschutzmittel-Rückstände in Nahrungsmitteln sowie Lebensmittelzusatzstoffe. Die Europäer scheinen jedoch weniger als zuvor über Themen wie Gentechnik besorgt zu sein, während neue Themen wie Mikroplastik erstmals auf dem Radar auftauchen. Insgesamt sei es "beruhigend zu sehen, dass die Europäer sich nicht übermäßig über die Lebensmittel auf ihren Tellern sorgen. Das ist kein Zufall, sondern das Verdienst von Fortschritten in Wissenschaft und Technik, die dazu beitragen, die Produktionsstandards und Hygienemaßnahmen zu verbessern", betonte Url.

Herausforderungen für Lebensmittelsicherheit

Der EFSA-Direktor nannte Antibiotika-Resistenzen, lebensmittelbedingte Krankheiten und klimawandelbedingte Risiken wie Mykotoxine (Schimmelpilzgifte) als große Herausforderungen für die Sicherheit von Lebensmitteln in Europa und weltweit. "Wir können das Vertrauen der Konsumenten in ihre Nahrungsmittel weiter stärken, indem wir noch besser auf ihre Bedenken eingehen und mehr Möglichkeiten für Dialog bieten, damit sie den Beitrag der Wissenschaft zum EU-System besser verstehen", sagte Url. Die Tatsache, dass "großes Vertrauen in Wissenschafter" gesetzt werde, sei für ihn jedenfalls ermutigend.

"Veränderte Marktrealitäten, eine globale Lebensmittelkette sowie der vermehrte internationale und nationale Tierverkehr, Betrugsfälle der vergangenen Jahre, aber auch der zunehmende Handel von Produkten im Internet erfordern nationale und europaweit koordinierte Antworten", unterstrich Ulrich Herzog, Leiter der Lebensmittelsicherheit und des Veterinärwesens im Sozialministerium. Die Abklärung von lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen, wie sie in Österreich erfolgt, sei jedenfalls "ein Best-Practice-Beispiel in der Europäischen Union". Durch die Vernetzung der fachlichen Kompetenzen innerhalb der AGES und eine enge Zusammenarbeit der österreichischen Behörden konnten in den vergangenen Jahren wiederholt Ausbrüche rasch aufgeklärt und somit weitere Erkrankungen verhindert werden.

Transparente Risikokommunikation wichtig

Handlungsbedarf sieht Herzog bei der Transparenz der Risikokommunikation: "Die Anforderungen der Gesellschaft an eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion mit besonderen Anforderungen an den Tierschutz, den Pflanzenschutzmittel- oder Antibiotikaeinsatz sowie Trends zur Bekämpfung von Food-Waste oder neue Informationsanforderungen an Lebensmittel müssen sich auch in der Struktur der Kontrolle entlang der Lebensmittelkette widerspiegeln", betonte Herzog. Das bedürfe vor allem auch einer verstärkten Beteiligung von Interessengruppen an den Planungstätigkeiten der Kontrollbehörden.

Die Experten der EFSA, des Sozialministeriums und der AGES sind derzeit intensiv mit der Umsetzung eines umfassenden Lebensmittelsicherheitspakets befasst: "Smarter rules for safer food" lautet das Motto der EU-Kommission für ein Bündel an Maßnahmen zur Verbesserung der Durchsetzung der Gesundheits- und Sicherheitsstandards entlang der Lebensmittelkette. Mit diesem Regulierungspaket werden Kontrollvorschriften für alle Segmente der Lebensmittelkette vereinheitlicht. Die EU-Verordnungen sind ab Dezember 2019 auch national anzuwenden.

"Risikobarometer Umwelt & Gesundheit" 2019

In Ergänzung zum jährlich erhobenen "Risikobarometer Umwelt & Gesundheit", einer Befragung der Bevölkerung gemeinsam mit dem Umweltbundesamt, hat die AGES erstmals auch praktische Ärzte und Journalisten nach ihrer Einschätzung in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit befragt. Ärzten bereitet demnach Mikroplastik in Lebensmitteln die meisten Sorgen, während Journalisten hormonähnliche Stoffe als größte Bedrohung wahrnehmen. An zweiter Stelle in der Reihung kommen schon Pflanzenschutzmittel-Rückstände. Die österreichische Bevölkerung schätzt auch Mikroplastik als größtes Risiko ein, gefolgt von "Täuschung durch unrichtige Information" sowie "Antibiotikarückstände in Lebensmitteln" und "Auswirkungen von Chemikalien und Schadstoffen". (Schluss)