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Um Insekten steht es besser als vermutet

Eine länderübergreifende Meta-Studie (Meta-Studien kombinieren eine Vielzahl von Studien zu einer Zusammenschau. Das heißt nichts anderes, als dass die Resultate von bereits gemachten Studien verglichen und als Kollektiv ausgewertet werden) zeigt: Die Abnahme der Insekten ist 6-mal kleiner als vermutet. Während im Wasser lebende Insekten im Schnitt in einem Jahrzehnt um rund 11 Prozent zugenommen hätten, sei bei den über Land lebenden Insekten im Schnitt pro Jahrzehnt eine Abnahme von rund 9 Prozent zu verzeichnen.

Die Resultate der grossflächigen Analyse vorhandener Daten sind besser als erwartet. Die Autoren weisen aber auch darauf hin, dass Region, Klimazone und Zeit der Messungen zu grossen Unterschieden führen können. Die Studie lässt weder bezüglich der Ergebnisse noch der Ursachen vereinfachende Schlussfolgerungen zu.

Trends variieren von Region zu Region

Obwohl die gesammelten Daten einen grossen geographischen und taxonomischen Bereich repräsentieren, weisen die Autoren darauf hin, dass «die Trends lokal sehr unterschiedlich waren, aber auch von Region zu Region, von Klimazone zu Klimazone und von Zeit zu Zeit variierten». Monokausal sind die Gründe für die Abnahme der Insekten über Land mit Sicherheit nicht. Die Experten vermuten, dass die Zerstörung von Lebensräumen durch Verstädterung und Lichtemissionen eine bedeutende Rolle spielen. Die landwirtschaftlich genutzten Räume stellen kaum einen Hauptgrund für die Abnahme der Insektenpopulationen dar, wie gerne anhand des Pestizid-Einsatzes behauptet wird. Durch landwirtschaftlich bebaute Flächen wurde die Abnahme der Insektenpopulationen gemäss den Studienautoren im Gegenteil gemildert. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass «ein angemessener Schutz und die Wiederherstellung von Lebensräumen wirksame Strategien zur Abschwächung von Veränderungen in Insektenvorkommen sein können».

Vielzahl von Faktoren beeinflussen Insekten

In die gleiche Richtung argumentierte kürzlich die NZZ. Unter dem Titel «Stopp dem Insektensterben» wies die Zeitung darauf hin, dass nicht nur die Landwirtschaft für die Abnahme der Insektenpopulationen verantwortlich gemacht werden kann. Insekten sind für die Landwirtschaft Freund und Feind. Sie entfalten als Bestäuber einen grossen Nutzen und können gleichzeitig als Schädlinge ganze Ernten zerstören. Die Bauern sind somit auf viele Insekten angewiesen und müssen andere Insekten gleichzeitig in Schach halten, um ihre Erträge zu sichern. Die neue Studie untermauert die These, dass eine Vielzahl von Faktoren für den Insektenrückgang verantwortlich ist. Gleichzeitig ist die Entwicklung in verschiedenen Regionen der Welt sehr unterschiedlich. Gemäss NZZ werden als Gründe für den Rückgang der Insektenpopulationen genannt:

  • Mangel an Lebensräumen (z.B. durch fehlende Freiflächen und oder Hecken)
  • Flächenversiegelung aller Art (z.B. durch Überbauungen und Strassen)
  • Einbringen von Substanzen in die Umwelt (für Reinigung und Pflanzenschutz)
  • Zunahme der Lichtquellen (z.B. durch Dauerbeleuchtung von Strassen)
  • Verkehrszunahme (Kollisionen mit Insekten)
  • Mangelnder Schutz von Biotopen (weniger Feuchtgebiete)

 

 

Pflanzenschutzmittel unterstehen strengen Auflagen

In der öffentlichen Diskussion wird der Rückgang der Insekten gerne auf die Kampfbegriffe «Insektensterben» und «Pestizide» reduziert. Dabei fühlt man sich an die Diskussion rund um das «Waldsterben» in den 80er Jahren erinnert. Tatsächlich haben Insektizide zum Ziel, Insekten auszuschalten, die den Ertrag der Landwirtschaft gefährden. Derzeit richten Heuschreckenschwärme in Ostafrika und Pakistan verheerende Schäden an. Sie fressen ganze Felder kahl und können zu Hungersnöten führen. Insgesamt müssen jedoch weniger als ein Prozent der Insektenarten als Schädlinge betrachtet werden. Von diesen Insekten sind einige auch für die Menschen ein Risiko. Sie übertragen gefährliche Krankheiten wie Malaria oder Denguefieber. Angesichts der Schäden ist es legitim und vernünftig, diese Schadinsekten zu bekämpfen. Wichtig ist dabei, dass die Mittel gezielt eingesetzt werden und Insekten nicht generell gefährden. Dazu unterliegen die Produkte strengen Auflagen sowohl in Bezug auf die Sicherheit der Substanzen als auch in Bezug auf die Anwendung in der Landwirtschaft. 

Landwirtschaft kann Insekten unterstützen

Zwar ist für eine produktive Landwirtschaft die Bekämpfung von Schädlingen unabdingbar, doch auch die Landwirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung und Stärkung der Insektenpopulationen leisten, indem sie:

  • Fruchtfolgen erweitert;
  • mit Blühstreifen die Landschaft besser vernetzt und Lebensräume schafft;
  • Lebensräume am rohen Boden ermöglicht;
  • mit Dünger insbesondere an nährstoffarmen Standorten sorgfältig umgeht;
  • Feuchtgebiete schützt.

Jeder Landwirt – aber auch jeder Gartenbesitzer – kann die Bedingungen für Insekten verbessern. Und wer den Rückgang der Insektenpopulationen breit angehen will, muss seinen Blick auch auf Siedlungsstrukturen und Lichtverschmutzung richten.